Digitale Gesundheitsanwendungen
Stellungnahme zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit zu „Verordnung über das Verfahren und die Anforderungen der Prüfung der Erstattungsfähigkeit digitaler Gesundheitsanwendungen in der gesetzlichen Krankenversicherung“
Da digitale Gesundheitsanwendungen mit ihren Möglichkeiten aber auch Herausforderungen hohe Relevanz für die Prävention, Diagnostik und Behandlung von psychischen Erkrankungen insbesondere der digital affinen Kinder und Jugendlichen besitzen, messen wir als wissenschaftliche Fachgesellschaft dem vorliegenden Entwurf hohe Bedeutung bei.
Generell ist die Intention des Gesetzesvorhabens zu begrüßen, transparente und verlässliche Regelungen herbeizuführen, nach denen sowohl Patienten als auch verordnende Behandler digitale Gesundheitsanwendungen in Anwendung und Wirkung einordnen können. Das Gesetzesvorhaben wird die Grundlage für einen äußerst wichtigen Entwicklungsbereich des Gesundheitssystems schaffen und eine wegweisende Orientierung für nachfolgende Regelungen erstellen.
Da ein solches von einer offiziellen und etablierten Behörde geführtes Register für die potentiellen Anwender durchaus einer Zertifizierung gleichkommen könnte, sehen wir im Sinne der gewünschten Transparenz und Verbesserung der Datensicherheit für die Anwender Änderungs- und Ergänzungsbedarf.
Grundsätzlich bitten wir in Hinblick auf Kinder und Jugendliche aber auch auf Menschen mit einer eingerichteten Betreuung eine Ergänzung des Begriffes „Patienten“ um „Patient und ggf. gesetzlicher Vertreter“.
Nachweis eines positiven Versorgungseffekts
Ein wesentlicher Inhalt des Entwurfes ist die Darstellung eines positiven Versorgungsaspektes, was vor dem Hintergrund der bereits bestehenden Unzahl von nicht evaluierten digitalen Gesundheitsanwendungen für Patienten wie Behandler von erheblicher Bedeutung ist. Die DGKJP ist verwundert, dass zur Aufnahme in das geplante und von der BfArM zu verwaltende Register keine verpflichtende Vorlage eines Wirknachweises vorgesehen ist, aktuell ist eine Aufnahme zur Probe vorgesehen. Die Vorlage lediglich eines Evaluationskonzepts wäre nach dem derzeitigen Stand also ausreichend für die Aufnahme in das Register. Wir halten einen Wirknachweis nach wissenschaftlichen Maßstäben für unbedingt erforderlich vor einer Registrierung durch das BfArM, da durch die offizielle Registrierung bei den Anwendern der Eindruck einer Zertifizierung durch eine staatliche Behörde entstehen wird. Insbesondere ist aber auch absolut zu fordern, dass die digitalen Gesundheitsanwendungen im Sinne des nil nocere auch eventuelle unerwünschte Wirkungen erfassen müssen. Daher halten wir folgende Ergänzungen für dringend erforderlich:
- Nachweis einer wissenschaftlichen Evaluation des positiven Versorgungseffektes vor Aufnahme in das durch das BfArM geführte Register.
- Veröffentlichung der Evaluationsergebnisse im Register als Entscheidungsgrundlage für die Anwender, sowohl Patienten als auch empfehlende/verschreibende Behandler.
- Die wissenschaftliche Evaluation muss auch die Erfassung von Unerwünschten Wirkungen analog der UAWs bei Arzneimitteln beinhalten. Diese müssen analog der Arzneimittel dem Patienten und empfehlenden / verschreibenden Behandler im Register informativ und geeignet für eine individuelle Risikoabschätzung zur Verfügung gestellt werden.
- Verbindliche Verpflichtung des Herstellers auf eine beständige Evaluation hinsichtlich eines positiven Versorgungseffektes und Veröffentlichung der Ergebnisse durch Aktualisierung des Registereintrages in einem zweijährigen Rhythmus um auch bei veränderten Rahmenbedingungen der Gesundheitsversorgung einen tatsächlichen positiven Versorgungseffekt sicher zu stellen.
Datensicherheit, -schutz und -management
Digitale Gesundheitsanwendungen erfassen erhebliche hochrelevante Daten des Anwenders, speichern diese und werten sie aus. Im aktuellen Entwurf des Gesetzesvorhabens sind folgerichtig zahlreiche Punkte zu Datensicherheit, -schutz und Management einschließlich Löschung der Daten benannt. Da auf Grundlage dieser Daten Behandlungsempfehlungen gegeben und tatsächliche Behandlungsentscheidungen getroffen werden, sollten diese Daten auch für z. B. forensische Prüfungen zur Verfügung stehen. Daher ist aus unserer Sicht eine gesicherte Datenspeicherung durch die Hersteller analog zur Aufbewahrungspflicht in Praxen oder Krankenhäuser zu regeln. Des Weiteren dürfen Daten nur nach Einwilligung der Patienten an Dritte weitergegeben werden. Aus den bisherigen Erfahrungen mit digitalen Anwendungen wird dringend empfohlen, eine Verpflichtung zur Offenlegung jeglicher Datenweitergabe gegenüber dem Patienten festzulegen.
Generell kann es bei Minderjährigen, insbesondere bei Minderjährigen mit psychischen Erkrankungen, konfligierende Interessen zwischen Patienten und Sorgeberechtigten geben. Dies ist bei möglichen Regelungen zu beachten.
Daher halten wir Ergänzungen des §5 Anforderungen an Datenschutz und Datensicherheit für dringend erforderlich, die eine Aufbewahrungspflicht der erhobenen Gesundheitsdaten für den Hersteller festlegt. Diese sollte analog zu den bisherigen Regelungen für Praxen / Kliniken erfolgen. Im Falle von forensischen Fragestellung Verpflichtung zur Bereithaltung und Offenlegung der Daten sowie Algorhythmen für den Zeitraum der Aufbewahrungspflicht.
Unser Formulierungsvorschlag lautet:
„Die Hersteller digitaler Gesundheitsanwendungen sind verpflichtet, die Aufbewahrung der durch die Anwendung erhobenen Daten über mindestens zehn Jahre sicherzustellen. Im Falle von forensischen Fragestellungen sind die Hersteller verpflichtet, sowohl die Daten als auch eingesetzte Algorhythmen offenzulegen.“
Des Weiteren halten wir für die Transparenz hinsichtlich des Umgangs mit den Daten eine aktive Offenlegung einer Datenweitergabe gegenüber dem Patienten für notwendig. Dabei muss in verständlicher Form die Art der Daten sowie der Nutzen der Datenweitergabe dargelegt werden.
Unser Formulierungsvorschlag lautet:
„Die Hersteller digitaler Gesundheitsanwendungen sind verpflichtet, jeglicher Datenweitergabe an Dritte gegenüber dem Patienten mit für die Zielgruppe der betreffenden Anwender verständlicher Beschreibung der Art der Daten aktiv offenzulegen.“
Im Folgenden benennen wir weitere Punkte in §5 Abs. 2, die aus unserer Sicht spezifiziert und ergänzt werden sollten:
Zu §5 Abs 1:
Bezieht diese Regelung explizit auch Videokommunikationssysteme für Videosprechstunden mit ein? Aus unserer Sicht wäre dies im Sinne der Patienten und Behandler notwendig.
Zu §5 Abs. 4:
„Eine Verarbeitung von Daten zu Werbezwecken ist ausgeschlossen.“ Hier schlagen wir folgende Änderung vor:
Unser Formulierungsvorschlag lautet:
„Eine Verarbeitung von Daten zu Werbezwecken sowie der Verkauf der Daten sowie sonstige nicht vom Patienten autorisierte kommerzielle Nutzung von Daten ist ausgeschlossen.“
Zu §18:
Unter Absatz 2 wird festgelegt, dass von den in §§ 16 und 17 festgelegten Bedingungen durch das BfArM abgewichen werden kann. Dies stellt aus unserer Sicht eine absolute Öffnungsklausel dar, die es ermöglicht, auch ohne Wirknachweis eine Anwendung in das Register aufnehmen zu können. Aus unserer Sicht ist diese Öffnungsklausel nicht erforderlich und hat das Potential die Bemühungen dem Anwender effektive Interventionen kenntlich zu machen zu konterkarieren. Wir halten daher Absatz 2 für verzichtbar. Sollte der Gesetzgeber dennoch eine Öffnungsklausel für erforderlich halten, so wird dringend empfohlen, eine durch den Gesetzgeber klar definierte Ausgangsbedingung herzustellen.
Wir halten das Gesetzesvorhaben für einen wichtigen Schritt in der Ordnung und Etablierung der digitalen Gesundheitsanwendungen in unserem Versorgungssystem und freuen uns, wenn wir als DGKJP einen Beitrag zur gelingenden Gesetzesfassung beitragen können.
Berlin, 17.02.2020